Schmerz Schmerzgedächnis

Schmerz, Schmerzentstehung und Zielsetzung in der Therapie

Schmerz und Entstehung von Schmerzen

Gerade noch übereifrig und schwungvoll von Sofa erhoben, dann mit dem kleinen Zeh an der Ecke des Sofa-Tisches hängengeblieben und schon ist er da: der Schmerz.

Doch was ist Schmerz eigentlich? Wie entsteht er und welche Formen lassen sich unterscheiden?

Hier erfährst du alles Wichtige rund um das Thema Schmerz sowie die Wichtigkeit der Zielsetzung bei (andauernden) Schmerzzuständen.

Die International Association for the Study of Pain definiert Schmerz als „unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache.“

 

Wie entsteht Schmerz?

Der Schmerz wird dabei von bestimmten Rezeptoren, sogenannten Nozizeptoren an das zentrale Nervensystem weitergeleitet. Als freie Nervenendigungen befinden sich Nozizeptoren in allen schmerzempfindlichen Geweben des Körpers.

Doch nicht nur neuronale Signale an das Gehirn bestimmen die Wahrnehmung von Schmerz. Auch Gedanken, Einstellungen, Erwartungen, Gefühle oder Motivation haben einen entscheidenden Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung.

Körper und Psyche stehen in einer engen Interaktion miteinander: körperliche Symptome wie Muskelverspannungen, Bauchschmerzen oder Übelkeit als Reaktionen auf Angst, Stress hat jeder mal erlebt. Viele Redewendungen wie „die Angst sitzt mir im Nacken“ oder „die Last auf den Schultern tragen“ verdeutlichen diese enge Wechselwirkung zwischen Körper (Soma) und Psyche.

Nackenschmerz

Bei psychischen Erkrankungen zeigen sich oft ein mangelndes Körpergefühl oder eine gestörte Körperwahrnehmung.

Weisen Patienten aufgrund schmerzhafter Erfahrungen körperliche Symptome auf, welche nicht auf einen krankhaften körperlichen Befund zurückzuführen sind, sprechen Mediziner dabei von Somatisierung.

Akute und chronische Schmerzen

Schmerzen lassen sich verschieden einteilen – beispielsweise nach der Art des Schmerzes (dumpf, stechend, elektrisierend…) oder nach der Dauer des Schmerzes.

Grob lässt sich hier zwischen akuten und chronischen Schmerzen unterscheiden.

Ein akuter Schmerz gilt als Warnzeichen für Gefahren. Überschreiten thermische, eklektische, chemische oder mechanische Reize einen bestimmten Schwellenwert, kann es zu einer Schädigung des Gewebes von Betroffenen kommen. Das Gehirn erhält hierbei eine Vielzahl von Informationen aus Druck- und Dehnungsrezeptoren. Wie stark der Schmerz dabei empfunden wird, entscheidet dabei das Gehirn.

Gehirn Denken

Die Stärke der Schmerzempfindung ist dabei unbedingt vom Ausmaß des Gewebeschadens abhängig. Während das Anschlagen des Kleinzehs am Sofa-Tisch starke Schmerzen verursacht, zeigen sich in Gefahrensituationen, wie schweren Unfällen, meist keine Schmerzen.

Das Verspüren eines akuten Schmerzes löst ein Schutzverhalten (im Sinne einer Schonung) aus. So humpelt man nach dem Anschlagen an der Ecke des Sofa-Tisches durchs Wohnzimmer.

Treten Schmerzen über einen längeren Zeitraum auf, als üblicherweise eine Heilung zu erwarten ist, spricht die International Association for the Study of Pain von einem chronischen Schmerz. Durch eine Schmerzfokussierung, Schon- und Fehlhaltungen können die bestehenden Schmerzen dabei verstärkt werden.

Insbesondere bei unspezifischen (d. h. ohne strukturellen Auslöser) chronischen Schmerzen, insbesondere im Bereich des Rückens, sollten aktive Maßnahmen passiven Therapiemethoden unbedingt vorgezogen werden.

Passivität führt vorwiegend zu einer Abgabe der Verantwortung des eigenen Körpers und gibt Patienten das Gefühl, den Therapeuten zu brauchen, um (kurzfristig) schmerzfrei zu sein.

Physiotherapie bei Schmerzen

Betreten Patienten die Praxis, spielt das Thema Schmerz oft eine große Rolle. Dabei führen Schmerzzustände zu Einschränkungen bei der Verrichtung von Alltags- und Freizeitaktivitäten.

Schmerz ist subjektiv. Kein Therapeut steckt im Körper des Patienten und kann die genaue Intensität des Schmerzes nachempfinden. Um sich ein Bild zu machen, fragen Therapeuten und medizinisches Fachpersonal daher meist nach dem zeitlichen Anhalten, der Qualität (stechend, stumpf, …) sowie der Intensität des Schmerzes.

Patienten werden gebeten, die Intensität des Schmerzempfindens (bei Ruhe/ Aktivität/ einer bestimmten Bewegung) auf einer Skala von 0 bis 10 einzuordnen, wobei zehn die stäkste Schmerzempfindung darstellt.

ziel festlegen

Alles eine Frage der Perspektive…

In der Therapie ist schon zu Beginn eines ganz entscheidend: das Setzten von Zielen. Dazu gehören sowohl kleine Etappenziele als auch mittel- und langfristige Zielformulierungen.
Wer weiß, wo es lang gehen soll, der kann den Weg dorthin auch besser finden.

In Bezug auf die Fokussierung und das Setzten von Zielen ist dabei der Blickwinkel ganz entscheidend.
Hierzu ein kleines Beispiel:

Frau F. ist plagen seit 5 Monaten immer wieder Schmerzen im rechten Kniegelenk. Der Arzt konnte lediglich einen (normalen) altersbedingten Verschleiß feststellen. Sie ist gerne draußen, kann aufgrund der Knieschmerzen jedoch nur noch Spaziergänge einer Dauer von ca. 20 Minuten durch den Wald machen und hat Schmerzen beim Treppensteigen, wodurch sie den Gang auf den Dachboden vermeidet. In der Therapie gibt Frau F. einen Schmerz von 6/10 bei Belastung an.

Welches Ziel kann nun in der Therapie formuliert werden?

Möglichkeit a) wäre, den Schmerz auf der Schmerzskala innerhalb der nächsten sechs Therapiesitzungen von 6/10 auf 4/10 zu reduzieren.

Möglichkeit b) verfolgt einen anderen Ansatz: Auch wenn der Schmerz oft im Vordergrund der Wahrnehmung der Patientin steht, lohnt es sich zu überlegen, was aufgrund des Schmerzes aktuell nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, um daraus ein passendes Ziel zu formulieren.: z.B.
bis zum Ende der nächsten sechs Therapiesitzungen 30 Minuten beschwerdefrei durch den Wald zu spazieren zu können oder die Treppen auf den Dachboden zu steigen.

Die Erfolge lassen sich bei Möglichkeit b) sicherlich besser feiern und haben einen wirklichen Bezug zum Alltag(-serleben) des Patienten.

Je spezifischer das Ziel und je größer der Bezug zum Alltag des Patienten, desto großer ist auch die Motivation, das Ziel zu erreichen.
Denn: auf das Ziel eines längeren Spaziergangs im Wald kann Frau F. voller Vorfreude hinarbeiten.

Spaziergang

 

 

About the Author

Alexa von Bosse

Physiotherapeutin

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